Die Lieferung von Elektrizität stellt, auch wenn sie unbeabsichtigt erfolgt und das Ergebnis eines rechtswidrigen Handelns ist, eine Lieferung gegen Entgelt dar. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem aktuellen Urteil entschieden. Im zugrunde liegenden Fall ging es um die widerrechtliche Abnahme (Diebstahl) von Strom durch eine Privatperson in Belgien und die nachträgliche Abrechnung durch den Netzbetreiber.

Der Netzbetreiber hatte u.a. die Aufgabe, Strom bis zu den einzelnen Abnehmern zu transportieren, und war für die Installation, Inbetriebnahme und Ablesung der Zähler verantwortlich. Im Zeitraum von Mai 2017 bis August 2019 verbrauchte eine Privatperson unrechtmäßig Strom. Nachdem der Netzbetreiber den unrechtmäßigen Verbrauch durch den Abgleich der Zählerstände festgestellt hatte, rechnete er ihn gegenüber dem Stromverbraucher ab und verklagte diesen später auf Zahlung der Rechnung. Das Friedensgericht in Antwerpen verurteilte die Person daraufhin, die Kosten für den unrechtmäßig entnommenen Strom zu ersetzen, äußerte jedoch Zweifel an der Entstehung eines Mehrwertsteueranspruchs. Es wies darauf hin, dass vor dem 01.05.2018 keine Rechtsvorschrift ausdrücklich die Frage behandelt habe, ob auf die Entschädigung, die derjenige schulde, der rechtswidrig Energie entnommen habe, Mehrwertsteuer erhoben werden könne. Ab dann sei diese Lücke durch einen Energieerlass geschlossen worden.

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Lieferung von Elektrizität (auch wenn sie unbeabsichtigt erfolgt und das Ergebnis des rechtswidrigen Handelns eines Dritten ist) eine Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt darstellt. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Bereich der Mehrwertsteuererhebung verbiete eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften. Aus der Vorlageentscheidung gehe eindeutig hervor, dass der Netzbetreiber die Privatperson mehr als zwei Jahre mit Strom versorgt habe. Gleichzeitig habe sich der Stromempfänger wie ein Kunde verhalten, da er den gelieferten Strom verbraucht habe.

Hinweis: Der EuGH hatte bereits in einem früheren Urteil den Anwendungsbereich der steuerbaren Umsätze erweitert. Dies setzt er nun auch im Fall eines Diebstahls fort.