Grenzüberschreitende Sachverhalte sind per se mit einer höheren steuerlichen Komplexität behaftet als rein nationale. Das liegt u.a. daran, dass i.d.R. zwei bzw. mehrere unterschiedliche nationale Steu­ergesetze zu berücksichtigen sind. Dazu kommen ggf. noch die Regelungen der Doppelbesteuerungs­abkommen. Ein Thema ist jedoch seit jeher besonders komplex und vor allem wechselhaft, und zwar die sogenannten finalen Verluste bei ausländischen Betriebsstätten.

In einem vom Finanzgericht Niedersachsen entschiedenen Fall unterhielt eine in Deutschland ansässi­ge GmbH eine Geschäftsfiliale in Polen (Betriebsstätte). Die Filiale erwirtschaftete in den letzten Jah­ren stetig Verluste ohne realistische Chance auf einen Turnaround. Die Geschäftsführung beschloss, die polnische Filiale zu schließen und diese aufzugeben. Weitere unternehmerische Aktivitäten in Polen bestanden nicht und waren auch nicht geplant. Für die Betriebsstätte in Polen waren bis zu ihrer Schließung Verlustvorträge in Polen festzustellen, ebenso wie in Deutschland – vor dem Hinter­grund, diese mit möglichen Gewinnen in der Zukunft verrechnen zu können. Sobald die Filiale ge­schlossen wird, besteht diese Möglichkeit jedoch nicht mehr und die Verluste werden final.

Für die Frage, ob solche ausländischen finalen Verluste in Deutschland abgezogen werden können, hält die Rechtsprechung allerdings ganz unterschiedliche Antworten bereit. In der jüngeren Ver­gangenheit urteilten sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Bundesfinanzhof (BFH) ableh­nend. Im Jahr 2018 entschieden dagegen hessische Finanzrichter, dass ein Abzug möglich sei. Die­sem Duktus schlossen sich nun die niedersächsischen Richter an. Die Besteuerung nach der wirt­schaftlichen Leistungsfähigkeit verlange, dass finale Verluste aus dem EU-/EWR-Raum grenzüber­schreitend beim inländischen Stammhaus abgezogen werden könnten.

Hinweis: Entsprechende Fälle sollten in jedem Fall offengehalten werden. Derzeit sind beim BFH nämlich gleich fünf Verfahren anhängig, in denen es um vergleichbare Sachverhalte geht. Gege­benenfalls könnten die finanzgerichtlichen Urteile zu einer Rückkehr der Abzugsfähigkeit solcher Verluste führen.